Advent – Adventsgedicht von Eleonore Reuss

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Schönes Adventsgedicht von Eleonore von Reuss und weitere Gedichte
für die Advents- und Weihnachtszeit, sowie Bücher- und Geschenk-Tipps.

Advent

Er kommt nun wieder voller Gnade,
Der Zionskönig Jesus Christ;
Kommt, lasst uns schmücken seine Pfade
Mit allem, was da lieblich ist.
Er hält auch dieses Jahr auf’s neue
In seiner Christenheit Advent;
D’rum auf! Dich deines Königs freue,
Du Zion, das sich nach Ihm nennt.

Er kommt zu allen frommen Herzen,
Die in Ihm finden ew’ges Heil,
Er kommt in Freuden und in Schmerzen,
Er ist ihr Schatz, ihr Erb’ und Theil;
Er lässt sie seinen Frieden spüren,
Wenn sie Ihm nah’n im Kämmerlein,
Will sie zu grüner Weide führen,
Tief in sein heil’ges Wort hinein.

Er kommt, wenn unter’m Glockenklingen
In sein geheiligt Haus wir geh’n;
Wenn wir sein Lob mit Freuden singen,
Und betend alle vor Ihm steh’n.
Er kommt zu uns in seinem Worte,
Er theilt als Lebensbrod es aus,
Der Herr ist selbst an diesem Orte,
Hier ist fürwahr ein Gotteshaus.

Er kommt, wenn uns’re Kindlein kommen
Zu heil’ger Taufe Gnadenfluth,
Er hat sie auf den Arm genommen,
Er kommt mit Wasser und mit Blut.
Ob wir’s nicht seh’n, Er ist zugegen
Mit seines Wortes Gotteskraft,
Durch dessen wunderbaren Segen
Dies Wasser neue Menschen schafft.

Er kommt, wenn an des Altars Stufen
Die Kinderschaar den Bund erneut,
Wenn ihre Seelen sehnlich rufen:
Herr Jesu, komm! wir sind bereit.
Er will zu jedem Kinde treten,
Legt seine Hände ihm auf’s Haupt,
Und spricht: Mein Kind, was du gebeten,
Geschehe dir wie du geglaubt.

Er kommt zu uns, wenn auf den Knieen
Wir uns’re Sündenschuld bekannt,
Und will uns aus dem Staube ziehen
Mit seiner gnadenreichen Hand;
Er spricht von allen unsern Sünden
Uns los durch seines Dieners Mund,
Er lässt uns die Vergebung finden
Und macht das kranke Herz gesund.

Er kommt zu uns in armen Zeichen,
So hält Er seligen Advent;
Geheimnis! Wunder ohne Gleichen!
Er kommt im heil’gen Sacrament;
Er kommt und uns’re Herzen beben,
Er kehrt bei uns, den Armen, ein,
Wir haben Theil an seinem Leben,
Er ist nun unser und wir sein.

Er kommt, wenn uns’re Augen brechen,
Er kommt als uns’res Todes Tod,
Und will zu uns’rer Seele sprechen
In ihrer letzten, grossen Noth;
Er führt uns durch des Todes Schrecken
Ein in des Paradieses Licht,
Er kommt und wird uns auferwecken,
Er kommt zum letzten Weltgericht!

Er kommt! Er kommt! Geht ihm entgegen,
Küsst huldigend den Menschensohn,
Dass nicht auf seinen Siegeswegen
Er seinen Zorn euch gibt zum Lohn.
Nur off’ne Hände sollt ihr bringen –
Er reicht euch seine Gnaden dar.
Lasst uns Ihm Hosianna singen
Zum Eingang in das Kirchenjahr.

(Eleonora von Reuss 1835-1903, deutsche Liederdichterin)

Das Jahr geht still zu Ende

Das Jahr geht still zu Ende;
nun sei auch still, mein Herz!
In Gottes treue Hände
leg ferner Freud’ und Schmerz,
und was dies Jahr umschlossen,
was Gott der Herr nur weiss,
die Tränen, die geflossen,
die Wunden brennend heiss!

Warum es so viel Leiden,
so kurzes Glück nur gibt?
Warum denn immer scheiden,
wo wir so sehr geliebt?
So manches Aug’ gebrochen,
so mancher Mund nun stumm,
der erst noch hold gesprochen
du armes Herz, warum?

Dass nicht vergessen werde,
was man so gern vergisst:
dass diese arme Erde
nicht unsre Heimat ist.
Es hat der Herr uns allen,
die wir mit Geist getauft,
in Zions goldnen Hallen
das Bürgerrecht erkauft.

Hier gehen wir und streuen
die Tränensaat ins Feld,
dort werden wir uns freuen
im sel’gen Himmelszelt.
Hilf, Herr, uns durch die Zeiten
und mache fest das Herz,
geh selber uns zur Seiten
und führ uns heimatwärts!

O das ist sichres Gehen
durch diese Erdnezeit;
nur immer vorwärts sehen
mit sei’ger Freudigkeit:
wird uns durch Grabeshügel
der klare Blick verbaut,
Herr, gib der Seele Flügel,
Dass sie hinüberschaut.

Hilf du uns durch die Zeiten
und mache fest das Herz,
geh selber uns zur Seiten
und führ uns heimatwärts.
Und is es uns hienieden
so öde, so allein,
o lass in deinem Frieden
uns hier schon selig sein.

(Eleonora von Reuss 1835-1903, deutsche Liederdichterin)

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